Über 4000 Läufer beim Bietigheimer Silvesterlauf stellten einmal mehr
die sicherlich hoch gesteckten Erwartungen der Macher an der Enz mehr als
zufrieden. 4 430 waren es letztlich, die sich in die Startlisten im
Wettkampfbüro in der Sporthalle am markanten Viadukt eintrugen und den
Bietigheimern ihre herausragende Position unter den vielen Silvesterläufen
in Deutschland bestätigten.
Dank moderner Chip-Zeiterfassung von Mika-Timing gab es aber auch die
unbestechlichen Eckdaten am Start und im Ziel, mit 4052 bzw. 4004 haben die
Macher um Rolf Zinßer und Willi Steffl vom Förderkreis
Leichtathletik an Neckar und Enz bei der 24. Auflage des nicht nur im
Süddeutschen überaus populären Silvesterlauf eine neue Bestmarke
gesetzt und damit eine überaus hohe Messlatte für das Jubiläum
im kommenden Jahr gelegt.
Keine Konkurrenz für die NYCM-Sechste Zaituc
Damit war es dies allerdings hinsichtlich der Rekorde. Allerdings grämte
dies freilich in der aufstrebenden Stadt mit dem Doppelnamen
Bietigheim-Bissingen niemand, denn wer sollte schon ohne den harten
Konkurrenzdruck die Streckenrekorde auf dem gewiss nicht leichten Rundkurs
durch die malerische Altstadt und den Enzauen brechen, die im Vorjahr Carsten
Schütz und Irina Mikitenko auf 31:19 und 34:19 schraubten?
Vor einer stimmungsvollen Zuschauerkulisse kam dann auch Luminita Zaituc zum
erwarteten Erfolg, nachdem sie im Vorjahr noch ihrer
Nationalmannschafts-Kollegin Irina Mikitenko den Vortritt lassen musste. Schon
nach drei Kilometern hatte sich die Marathon-Spezialistin von ihrer
Braunschweiger Teamkollegin Susanne Ritter lösen und einem
ungefährdeten Sieg entgegen laufen können.
Schöner Jahresabschluß
„Das ist doch ein schöner Abschluss des Jahres“, freute sich
Luminita Zaituc, die sich nach einer Rückenverletzung im Frühjahr mit
Rang 18 im olympischen Marathonlauf zwar achtbar geschlagen hatte, allerdings
nach nur kurzer Regeneration als Sechste beim New York City Marathon ihre
bislang beste internationale Leistung abliefern konnte. „Das Ergebnis von
Athen konnte ich doch so nicht stehen lassen“, freute sich die
gebürtige Rumänin über ihren Coup in New York, die es bislang
stets vorgezogen hat, mit Hamburg und Frankfurt deutsche Läufe zu
bevorzugen.
Birte Bultmanns zwei Kämpfe
Susanne Ritter lief letztmals für die LG Braunschweig, um künftig das
Trikot des SV Saar 05 Saarbrücken überzuziehen, wie gewohnt stark an,
um sich den nötigen Raum zur folgenden Konkurrenz zu sichern – und
wurde ungefährdete Zweite vor einer stark auftrumpfenden Stephanie Maier,
die sichtlich beflügelt nach der Abgabe ihrer Examensarbeit wirkte.
Dahinter Birte Bultmann, die sich nach einer auffälligen Dopingkontrolle
und der daraufhin verhängten zweijährigen Sperre per
Gerichtsbeschluss das Startrecht für drei Wettbewerbe bis Mitte Januar
gesichert hat, auf Rang vier. Die kleine Braunschweigerin kämpft
allerdings eher verzweifelt mit Paragraphen und Gutachten namhafter Mediziner
als mit harten Trainingskilometern und hofft auf einen möglichen
Freispruch noch im Januar.
Frontläufer Stefan Koch noch einmal bezwungen
Ungleich spannender ging es bei den Männern zu. Vorne machten der als
Tempomann bekannte Junior Stefan Koch zusammen mit Philmon Ghirmai, Martin
Beckmann und dem aus Südhessen stammenden, in Jena studierenden
künftigen Neu-Bietigheimer Dominik Burkhardt zunächst Tempo,
während André Green und Vorjahressieger Carsten Schütz so ihre
liebe Mühe hatten. Nach 10,71 km war das Rennen allerdings komplett
gekippt:
Letzter Kick im Ziel
André Green hatte mit dem letzten Kick im Ziel die Nase vorne vor dem
21jährigen Wattenscheider und Mann-der-Zukunft, Stefan Koch. Der mehrfache
Juniorenmeister wurde noch einmal von der Erfolgsspur verdrängt, gilt
allerdings nicht zuletzt wegen seines Trainingsfleißes und des
offensichtlich vorhandenen läuferischen Potentials durchaus als Mann
für Peking 2008.
Läuferpflug
Dahinter Dominik Burkhardt, der noch 150 m vor dem Ziel als
„Läuferpflug“ fungierte und sich an der Spitze durch die
große Schar der überrundeten Hobbyläufer durchkämpfte.
„Vielleicht hätte ich mich hier noch zurück halten
müssen“, gestand Burkhardt, „aber ich denke, der Einstand ist
dennoch gelungen!“ Martin Beckmann stand mit schmerzverzerrtem Gesicht im
Ziel, eine hartnäckige Entzündung der Rückenmuskulatur hatte ihm
in den letzten Wochen „mal mehr, mal weniger“, wie der Marathonmann
es formulierte, behindert. „Heute war es wieder einmal
mehr...!“
Kein Bergläufer
Im Duell der Schwaben hatte Martin Beckmann als Vierter die Nase vor Philmon
Ghirmai („Ich bin doch kein Bergläufer!“), der auf dem
welligen Kurs in der Schlussphase seine liebe Not hatte.
Hinter dem 23jährigen Lokalmatador Michael Pfeiffer aus
Markgröningen und Altmeister John Schondelmayer lief der Vorjahressieger
Carsten Schütz als Achter ins Ziel – und war nicht einmal zu sehr
enttäuscht. „Im Vorjahr war ich für die Jahreszeit zu fit, in
diesem Jahr möchte ich es anders machen. Schließlich muss ich erst
in vier Monaten fit sein!“ bekannte der Wattenscheider, der sich trotz
Berufseinstieg im Qualitätsmanagement bei einem mittelständigen
Essener Unternehmen auch weiterhin dem Marathonlauf verschrieben hat.
Hinter dem Heilbronner Markus Werner machte sich übrigens Christian
Glatting drei Tage nach seinem 18. Geburtstag als Zehnter ein verspätetes
Geschenk in 33:43 und einer 50-Euro-Geldprämie.
André Green: „Der Mittelstreckler ist in mir
erwacht!“
Und einer konnte es eigentlich immer noch nicht fassen, was wenige Minuten
zuvor auf der langen Zielgeraden am gewaltigen Viadukt passiert war.
André Green war einmal mehr im rechten Moment mit der passenden
Maßnahme erfolgreich. „Das ist die Rehabilitierung für den
Cross“, freute sich der frühere Hindernismann, der inzwischen
aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit im Reebok-Management unweit von
München lebt und in seiner ausklingenden Karriere als
„Feierabendläufer“ Bergläufe als neue (und erfolgreiche)
Leidenschaft entdeckt hat.
Nicht erwarteter Coup
Denn bei den deutschen Crossmeisterschaften musste er mit einer Erkältung
vorzeitig aus dem Rennen und verspielte damit alle Chancen auf einen Start bei
der Cross-EM.
„Eigentlich hatte ich mich mit Platz fünf schon abgegeben, doch dann
ist die Spitze deutlich langsamer geworden, dass ich wieder aufschließen
konnte. Dann ist eben in mir der Mittelstreckler wieder erwacht...“
freute sich André Green über einen Coup, den er selbst wohl ebenso
wenig erwartet hatte wie die durchweg stärker ambitionierte
Konkurrenz.
Wilfried Raatz
Ergebnisse:
24. Bietigheimer Silvesterlauf (31.12.):
Männer (10,71 km):
1. André Green (LG Wedel-Pinneberg) 32:01, 2. Stefan Koch (TV
Wattenscheid) 32:03, 3. Dominik Burkhardt (LG Eintracht Frankfurt) 32:03, 4.
Martin Beckmann (LG Leinfelden-Echterdingen) 32:15, 5. Filmon Ghirmai (LAV
ASICS Tübingen) 32:30, 6. Michael Pfeiffer (LAZ Salamander Kornwestheim)
32:41, 7. John Schondelmayer (Sparda-Team Rechberghausen) 32:54, 8. Carsten
Schütz (TV Wattenscheid) 33:17, 9. Markus Werner (TSG Heilbronn) 33:30,
10. Christian Glatting (LSG Aalen) 33:43.
Frauen (10,71 km):
1. Luminita Zaituc 35:37, 2. Susanne Ritter (beide LG Braunschweig) 36:08, 3.
Stephanie Maier (LG Leinfelden-Echterdingen) 36:33, 4. Birte Bultmann (LG
Braunschweig) 37:19, 5. Christine Schleifer (LV Biet) 37:52, 6. Sylvia Renz
(OSC Berlin) 38:15, 7. Meike Rosenauer (LG Rems-Murr) 38:54, 8. Jana
Bauckmannova (CZE/ LG Neckar-Enz) 39:45, 9. Andrea Thieken (Unterländer
LG) 40:34, 10. Lidia Zentner (Gazelle Pforzheim) 41:16.