Mit einem überaus forschen Starttempo zermürbte der Russe Grigory
Murzin seine Gegner bei der 17. Auflage des Swiss Alpine Marathon über die
Ultra-Distanz von 78 km bei einer Höhendifferenz von 2 300 m und kam nach
seinem Erfolg in 2000 zu seinem zweiten Sieg in der Streckenbestzeit von
5:42:34 Stunden. Während Vorjahressieger Lahcen Ahansal ab dem
Kulminationspunkt Keschhütte in 2 632 m merklich abbaute, rückte der
Kemptener Thomas Miksch immer stärker in den Vordergrund und schaffte mit
einem Rückstand von zehn Minuten mit Rang zwei seine bislang beste
Platzierung bei nunmehr neun Starts in Davos.
Bei den Frauen blieb der zehnfachen Siegerin Birgit Lennartz bei anhaltenden
Rückenbeschwerden nur die Zuschauerrolle, so dass es einen spannenden
Schlagabtausch um die Lennartz-Nachfolge gab: Dank einer starken Schlusspassage
setzte sich die Französin Karine Herry, hier zu Lande reichlich unbekannt,
aber neben einer Reihe von Ultra-Landschaftslauferfolgen im frankophilen Gebiet
auch Fünfte der 100 km-Weltmeisterschaft 1999, mit drei Minuten Vorsprung
gegenüber Elke Hiebl durch, die damit zum dritten Male Zweite wurde.
„Ich konzentriere mich auf die großen Rennen und lehne die
Vielstarterei, die bei uns gang und gäbe ist, ab. Und der Erfolg in Davos
gibt mir Recht!“ Für die Bieler 100 km-Siegerin Anke Drescher gab es
mit fünfzig Minuten Rückstand nur Rang fünf, die Vielstarterin
aus Tübingen hatte noch in der Vorwoche ein Rennen über 120 km (!)
bestritten.
Zwischen diesen Läuferinnen sorgte eine junge Läuferin aus
Winterthur für enormes Aufsehen: Die frühere 800 m-EM-Teilnehmerin
Sonja Knöpfli lief vom Start weg dank ihrer Grundschnelligkeit mit
Bestzeiten von 16:14 (5000 m) und 1:15:07 (Halbmarathon) bis Filisur (30 km) an
der Spitze, hielt aber in ihrem Ultra-Debüt sensationell lange gegen die
kilometererfahrene Konkurrenz mit – und durfte sich mit Recht in Davos
als Dritte feiern lassen. „Ich glaube, derartige Läufe sind was
für mich“, erklärte die 25jährige nach ihrem Schnupperkurs
im hochalpinen Bündner Land, „auf den Kurzdistanzen kann ich nicht
mehr übersäuern, deshalb habe ich mich gedanklich mit langen
Läufen beschäftigt. Und bin begeistert!“ Für eine
große Überraschung sorgte dagegen auf der 42 km-Strecke mit Start in
Bergün und den Kulminationspunkten Keschhütte und Scalettapass und
dem Ziel in Davos mit einer Höhendifferenz von 1890 m das schwäbische
Talent Larissa Kleinmann, die sich während ihres USA-Studiums eher als
Hindernisläuferin hervorgetan hatte, nun aber mit einer Klasseleistung
beim Hochgebirgsmarathon aufzuwarten wusste. Mit einer Endzeit von 4:15:08
Stunden kam die 24jährige auf Rang vier hinter der hochüberlegenen,
erst 20 Jahre alten Äthiopierin Tsige Worku und den Schweizerinnen Eroica
Spiess und Carolina Reiber und war vor allem auf dem 16 km langen
Schlussstück vom Scalettapass hinab über Dürrboden durch das
reizvolle Dischmatal so schnell die gemsengleich über Stock und Stein
wirbelnde Äthiopierin. „Ich habe einfach anfangs zu viel Respekt
gehabt“ kommentierte Larissa Kleinmann ihr Marathon-Experiment, die kaum
wieder zum Atem gekommen ihren Europatrip zusammen mit einigen US-Kommilitonen
über Stuttgart in Richtung Paris fortsetzte.
Die männliche Parallele zu Tsige Worku (die übrigens nach ihren
Starts auf europäischem Asphalt einen ersten Ausflug ins Hochgebirge
wagte) ist Mohamad Ahansal, der jüngere Bruder von Lahcen. Zweiundzwanzig
Minuten Vorsprung hatte der 30jährige beim K 42, der mit 1077 Startern
inzwischen bereits dem Ultra-Geländelauf K 78 den Rang abgelaufen hat,
aber traditionsgemäss diesem untergeordnet bleibt. „Unter drei
Stunden sind möglich“, gestand Ahansal, der bereits vor vier Wochen
seine Visitenkarte als Sieger beim Osterfelder Berglauf in Garmisch abgegeben
hat, „nur muss etwas Konkurrenz am Start sein!“ Der nach eigenen
Aussagen „zum Läufer mutierte“ frühere
Duathlon-Weltmeister Urs Dellsperger, der schon als Zweiter beim
Jungfrau-Marathon eine außergewöhnliche Gelängetauglichkeit
bewies, wurde Zweiter – sichtlich gefrustet aber über den
großen Rückstand auf den Marokkaner. „Ich werde wieder kommen,
dann aber bestvorbereitet!“
Sogar einen Berliner Sieg gab es hochalpinen Gelände! Diesen holte sich
bei ihrem Comeback (nach auskuriertem Ermüdungsbruch) das Marathontalent
Anja Carlsohn. Beim 30 km langen, in der Tendenz bergabführenden
Landwasserlauf von Davos nach Filisur kam die 24jährige nach 2:03:27
Stunden. „Das Ergebnis gibt mir Mut, im Herbst schon wieder einen
Marathon-Versuch zu starten!“ freut sich die LG Nike-Athletin über
ihren Einstieg, den sie allerdings eher tempodosiert angegangen war, aber die
in Davos lebende Jasmin Nunige um nahezu drei Minuten abhängen konnte.
Mit insgesamt 4089 Anmeldungen registrierten die Organisatoren des Swiss
Alpine Marathon, übrigens Partnerlauf des real,- BERLIN-MARATHON, eine
neue Rekordbeteiligung. Jedoch ungebremst dürfte die Euphorie von Macher
Andrea Tuffli trotz großartiger Resonanz auf und neben der Strecke
zwischen Davos, Filisur, Bergün, der Keschhütte und dem Scalettapass
keineswegs sein, denn die Rekordbeteiligung sicherte der Teamwettbewerb mit
einer Fünfer-Mannschaft aus Bikern, Inlinern und Läufern, zu dem sich
120 Teams angemeldet hatten und für viel Belebung auf der Strecke sorgten.
Indiz jedoch für den anerkannt hohen Stellenwert des
Hochgebirgserlebnisses ist jedoch die stetig steigende Zahl beim Marathonlauf
von Bergün nach Davos oder die gleich bleibend große Zahl von
Läufern beim K 30, dem Einsteigerlauf. Mehr als eintausend
Langstreckenläufer werden es kaum mehr auf dem beschwerlichen K 78 werden,
zumal die Ultraszene in der internationalen Laufbegeisterung nur eine
Randerscheinung ist. Und die Konkurrenz mit attraktiven
Gebirgs-Marathonläufen wie dem Jungfrau-Marathon (heuer sogar mit einer
Doppelveranstaltung und rund 7000 Läufern!), dem LGT-Marathon in
Liechtenstein oder dem neu hinzu gekommenen Zermatt-Marathon ist
außergewöhnlich hoch in einer knappen, schneefreien
Dreimonats-Saison. Eines jedenfalls muss man „Mr. Swiss Alpine“
Tuffli lassen, mit dem neuen Sponsor coop weiss man in Davos einen überaus
engagierten Partner an der Seite, der kräftig Gas gibt. Zum Wohle des
Swiss Alpine Marathon.
Wilfried Raatz
Ergebnisse: 17. Swiss Alpine Marathon Davos (27.7.): K 78 (78,5 km/ HD +/- 2
300 m): Männer: Murzin (RUS) 5:42:34, 2. Miksch (GER/ Kempten) 5:52:54, 3.
L. Ahansal (MAR) 6:05:44, 4. Kellenberger (SUI) 6:12:32, 5. Sommer (GER/
Oberstenfeld) 6:17:48, 6. Brenner (SUI) 6:27:14 ... 11. Gunzelmann (GER/
Nürnberg) 6:40:29, 12. Von Witsch (GER/ Siegburg) 6:40:55, 13. Huber (GER/
Kümmersbruck) 6:43:55, 19. Schweitzer (GER/ Michelstadt) 6:52:52, 20.
Bremgartner (GER/ Münstertal) 6:56:38. Frauen: 1. Herry (FRA) 6:53:21, 2.
Hiebl (GER/ Bodenmais) 6:56:11, 3. Knöpfli (SUI) 7:07:11, 4. Bychkova
(RUS) 7:24:22, 5. Drescher (GER/ Tübingen) 7:43:15, 6. Frotschnig (AUT)
7:47:17, 7. Kresse (GER/ Hersbruck) 7:51:29, 8. Wagner (GER/ Reichelsheim)
8:03:03, 9. Hofmann (GER/ Lauda-Königshofen) 8:10:05. K 42 (42,195 km/ HD
+ 1890/-1710 m): Männer: 1. M. Ahansal (MAR) 3:09:00, 2. Dellsperger
3:21:32, 3. Luchsinger (beide SUI) 3:28:02. Frauen: 1. Worku (ETH) 3:44:16, 2.
Spiess 3:55:32, 3. Reiber (beide SUI) 4:03:02, 4. Kleinmann (GER/ Fellbach)
4:15:08. K 30 (30,8 km/ HD +390/ -920 m). Männer: 1. Hafner (SUI) 1:44:19
... 5. Barber (GER/ Berlin) 1:57:13, Frauen: 1. Carlsohn (GER/ Berlin) 2:03:27
... 5. Wolf (GER/ Darmstadt) 2:19:16, 6. Rückershäuser (GER/
Neustadt) 2:20:34.