Teamchef Lothar Hirsch ist bereit für den Schnitt. "Wir werden mit
einer jungen Mannschaft zur Cross-Europameisterschaft fahren!" Wenn am
kommenden Sonntag im Bulltofta-Erholungspark in Malmö die "7th
European Cross Country Championships" gestartet werden, dann wird der
Deutsche Leichtathletik-Verband nicht nur mit zwei Mannschaften im
Juniorenbereich an der Startlinie stehen, sondern auch mit einer Frauen- und
Männermannschaft. Einer jungen zudem. Und dies erstmals wieder seit den
Anfängen im nordenglischen Alnwick und im belgischen Charleroi, denn in
den Folgejahren in Oeiras, Ferrara und Velenje entschied man sich im
DLV-Trainerstab gegen die Entsendung von Aktiventeams mangels sportlichen
Perspektiven. Diese dürften gewiß auch in Malmö kaum auf Anhieb
möglich sein, doch ein mutiger Ansatz mit vornehmlich jungen Athleten kann
eine Hypothek auf die Zukunft sein. Vor allem dann, wenn Etablierte wie eine
Irina Mikitenko nicht nur Disposition stehen oder andere wie der neue
Titelträger Sebastian Hallmann an den gestellten Aufgaben noch reifen
müssen.
Wenn die Cross-Titelkämpfe in Wetter eines gezeigt haben, dann unter
anderem die sich bereits bei den Rennen des Deutschen Cross-Cup 2000 in
Köln und vornehmlich in Darmstadt abzeichnende Wachablösung im
Langstreckenbereich. Auf dem gewiß selektiven Rundkurs mit vornehmlich
Parkwege-Charakter auf dem Harkortberg schaffte nicht nur der mit Jahrgang 1977
als neuer Crossmeister einlaufende Sebastian Hallmann den Durchbruch, sondern
dahinter attackierten die 25jährigen Michael Wolf, Oliver Mintzlaff und
Carsten Schütz sowie der 23jährige Martin Beckmann mit Erfolg. Im
Verbund mit dem im Cross-Cup bereits einschlägig erfolgreichen
22jährigen Mario Kröckert steht nun praktisch ein halbes Dutzend auf
dem Sprung nach vorne. Was freilich auch not tut, schließlich ist der als
Titelverteidiger ins Rennen gegangene Rainer Wachenbrunner bereits 38 Jahre
alt, was freilich nicht die Leistung des stets vorbildlich rackernden Berliners
schmälern sollte. Oder ein aus bekannten Gründen nicht
verfügbarer Dieter Baumann auch schon 35 Jahre alt ist. Analogie der
Entwicklung auch bei den Frauen: Die aus meisterschaftstaktischen Gründen
in der Juniorenklasse startenden Susanne Ritter und Sabrina Mockenhaupt sind
inzwischen so stark, daß sie auch in der Frauenklasse bei der Vergabe der
Medaillen ein gewichtiges Wort hätten mitreden können. Ja sogar
müssen, denn die Startfelder im Frauenbereich dünnen angesichts des
sich auf breiter Front abzeichnenden Teilnehmerrückgangs durch den
Anachronismus mit drei Wettbewerben für Frauen und Juniorinnen derart aus,
daß hier der DLV an einer gründlichen Überarbeitung des
Meisterschaftsprogrammes nicht mehr vorbei kommt.
Das liegt längst als Diskussionspapier einer aus mit dem
Langstreckenlauf befaßten Trainern und Cross-Veranstaltern gebildeten
Expertengruppe vor, nur gekümmert hat dies bislang noch niemand.
"Spätestens nach den wiederum für zwei Tage konzipierten
Cross-Meisterschaften in Regensburg werden wir die Reduzierung auf einen
Veranstaltungstag in Angriff nehmen müssen" ist Hirsch fest
entschlossen zu einer Veränderung, "bei vielen Vereinen werden wir
aus wirtschaftlichen Gründen schon offene Türen einrennen!" Auch
Josef Vahle, Mitglied des Bundesausschuß Wettkampforganisation und
Verantwortlicher für das Kampfrichterwesen, sieht in einem
gründlichen Revision der Crossmeisterschaften kaum entscheidende
Hindernisse. Zumal Vahle zum Abschluß seiner langjährigen
Verbandstätigkeit die Einführung der Chip-Zeitmessung auch für
den Crosslauf als wichtige und zwingend notwendige Verbesserung ansieht, die
eine Zusammenführung mehrerer Wettbewerbe ausgesprochen unterstützen
würde. Die Vorteile nämlich liegen auf der Hand: Attraktive
Starterfelder sind eher zuschauerfreundlich und dürften der eher
langatmigen (Lauf-)Familienfeier einen gewaltigen Kick geben. Vorausgesetzt,
die eingesetzte EDV geht mit den gestiegenen Anforderungen konform. "Es
muß allerdings wirtschaftlich machbar sein", warnt Josef Vahle vor
einer Kostenlawine, die weder Verband noch Ausrichter tragen kann.
Eine weitere Voraussetzung muß allerdings eine großfächige,
crosstaugliche Strecke sein, die Massenstarts zuläßt und auch den
Zuschauern den rechten Einblick gewährt. Darin nämlich unterschieden
sich vor Ort an der Ruhr die Geister. "Das hat weder mit Cross noch etwas
mit Zuschauerfreundlichkeit zu tun", wetterte Kurt Ring, der bereits in
drei Monaten für die Organisation der deutschen Crossmeisterschaften in
Regensburg verantwortlich zeichnet, "wir versprechen auf jeden Fall
für Anfang März eine attraktive Strecke, die den Namen Cross verdient
und komplett von den Zuschauern eingesehen werden kann!"
Wilfried Raatz