Vom Tellerwäscher zum Millionär - Khalid Khannouchi hat sie gemacht,
diese amerikanische Traumkarriere. Der in den USA lebende 27-jährige
Läufer aus Marokko lief beim Chigago-Marathon als erster Athlet unter 2:06
Stunden und verbesserte die Weltbestzeit um 23 Sekunden auf 2:05:42 Stunden. Es
war der zweite Sieg von Khannouchi in Chicago. 1997 hatte er dort einen
Debüt-"Weltrekord" von 2:07:10 Stunden aufgestellt, im
vergangenen Jahr übertrumpfte ihn ein anderer Debütant (Ondoro Osoro
/ Kenia) mit 2:06:54. Khannouchi lief vor Jahresfrist als Zweiter 2:07:19 und
steigerte sich nun erheblich. In drei Marathonläufen drei derartige Zeiten
- das ist bisher einmalig.
Mit einem Olympiastart ist jedoch nicht zu rechnen. Denn für sein
Heimatland möchte Khalid Khannouchi nicht mehr starten. Statt dessen hat
er noch kleine Hoffnungen, rechtzeitig die US-Staatsbürgerschaft zu
erhalten. Nur für Amerika würde Khannouchi in Sydney laufen, obwohl
sich Marokkos Verband seit seinem ersten Sieg in Chicago 1997 um den
Marathonläufer bemüht. "Aber Khalid ist in die USA gezogen, weil
er mit dem marokkanischen Verband nichts mehr zu tun haben wollte,"
erklärte seine Frau Sandra, die zugleich seine Trainerin und Managerin
ist. In den Jahren vor seinem ersten großen Triumph hatten sich die
Marokkaner offenbar nicht um ihr Lauftalent gekümmert, was ihnen Khalid
Khannouchi übel nimmt. "Mein Vater möchte, dass ich für
Marokko laufe. Aber als ich die Unterstützung des Verbandes brauchte, habe
ich sie nicht bekommen. Die Leute hier in den USA haben mir wirklich geholfen -
sie haben es verdient, mich als Amerikaner laufen zu sehen", erklärt
Khalid Khannouchi. "Trotzdem bin ich stolz, ein Marokkaner zu sein.
Millionen Landsleute werden sich über meine Leistungen freuen, aber mit
den Verband will ich nichts mehr zu tun haben."
Khalid Khannouchi ist als eines von acht Kindern in Meknes in Zentralmarokko
aufgewachsen. Sein Vater war Glaser und nebenbei Fußballtrainer. Deswegen
kam Khalid Khannouchi frühzeitig zum Sport. Zunächst kickte er, doch
sein Vater fand ihn zu klein für einen Fußballer und überredete
ihn zum Laufen. Mit 15 Jahren lief Kahlid Khannouchi sein erstes Rennen, einen
Cross, und gewann. Im Jugend- und Juniorenbereich gehörte dann unter
anderen Salah Hissou zu seinen Rivalen. 1990 wurde Khannouchi
Junioren-Crossmeister seines Landes, doch der Verband nominierte ihn nicht
für die Junioren-Cross-WM. Das demotivierte den Athleten, obwohl er von
Said Aouita als Trainer betreut wurde.
Als er 1993 bei der Universiade in Buffalo die 5000 m gewann, lernte er neue
Freunde kennen. Zwei Monate später kam er zurück dorthin, doch als es
ihm im November zu kalt wurde, zog er nach New York. Er lebte mit sechs anderen
Marokkanern in einem Zwei-Zimmer-Appartment in Brooklyn, verdiente sich sein
Geld unter anderem als Tellerwäscher und trainierte spät abends.
"Dort in Brooklyn nachts um 23 oder 24 Uhr zu laufen, war verrückt,
aber ich machte das", erzählt Khannouchi.
Als er im August 1994 ein Rennen in Connecticut vorzeitig beendete, lernte
er seine Frau kennen. Die aus der Dominikanischen Republik stammende
Marathonläuferin (Bestzeit: 2:46:46), die 1992 Neunte in Chicago war,
hatte bei dem gleichen Lauf ebenfalls aufgegeben. Beide zusammen arbeiteten
später viel erfolgreicher. Vor seinem Marathondebüt 1997 hatte Khalid
Khannouchi in jener Saison fünf seiner sechs Rennen in den USA gewonnen.
Doch den 42,195 km stand er skeptisch gegenüber. "Ich hatte Angst vor
der Distanz. Ich wollte lieber wieder auf der Bahn laufen und mit dem Marathon
noch warten." Doch seine Frau überredete ihn zum Start in Chicago und
prognostizierte ihm eine Zeit von 2:07:25 Stunden. "Er dachte, ich bin
verrückt", sagte Sandra Khannouchi. Ihr Mann war 15 Sekunden
schneller.
Ein Jahr später war Khannouchi Zweiter in Chicago, obwohl er am Ende
unter einem Fußproblem litt. In diesem Frühjahr musste er seinen
Start beim London-Maratho auf Grund von Achillessehnenproblemen absagen. Doch
im Sommer meldete er sich mit Siegen in Atlanta (Peachtree / 10 km - 27:43
Minuten) und Chicago (5 km - 13:38) zurück.
In Brooklyn braucht Khalid Khannouchi schon lange nicht mehr nachts zu
trainieren. Inzwischen besitzt er ein Haus in Ossining außerhalb von New
York. In einem großen Park kann er trainieren, und über seiner
Eingangstür soll die US-amerikanische Fahne wehen.