Für die Berliner S-Bahn kommt der real,- BERLIN-MARATHON immer völlig überraschend – so wie Heiligabend!
Wir veröffentlichen im Folgenden eine Kolumne aus „DER
TAGESSPIEGEL“ vom Montag, dem 17. Oktober 2005, Seite 26, unter der
Überschrift „TAGESTIPPS“.
Im Gegensatz zur U-Bahn, die die Hauptlast für die An- und Abfahrt
der Teilnehmer trägt, hat die S-Bahn bis jetzt immer noch
nicht begriffen, daß am MARATHON-Tag am Sonntagvormittag rd.
40.000 Läuferinnen und Läufer mit ihren Angehörigen, 9.300 Schülerinnen
mit ihren Eltern, Geschwistern, sowie Oma und Opa zum Start oder zum
Ziel wollen.
Viele kritische Zuschriften zu diesem Thema und dem Verkehrsdilemma mit
der S-Bahn hat auch der Veranstalter erhalten, allerdings ist die
S-Bahn in die organisatorischen Vorbereitungen, so wie viele andere
Berliner Institutionen, immer eingeschlossen – insofern kommt
Heiligabend eigentlich programmgemäß!
Es gibt Dinge, die sind einfach eine Frage der Ehre. Als Schüler am
MINI-MARATHON teilzunehmen, gehört unbedingt dazu. Aber es ist verdammt
harte Arbeit. Jeden Freitagabend um sechs ist Tom zwei Mal um die
Krumme Lanke gerannt, bei Sonne und Regen, bei Wind und Hitze. Neue
Turnschuhe hat das Kind bekommen, zwischendurch haben Tom und ich
gelegentlich kleine Trainingsrunden durch Zehlendorfer Parks gedreht.
Keiner kann mehr zusteigen
Am großen Marathon-Tag vor drei Wochen war das Kind fit. Die S-Bahn
leider nicht. Ab Schöneberg waren die Züge, die die Marathon-Läufer und
ihre Begleiter zum Potsdamer Platz bringen sollten, so voll, dass
wirklich keiner mehr zusteigen konnte. Ich finde das erstaunlich: Man
weiß Monate im Voraus, wann der Marathon stattfindet. Man weiß, dass an
diesem Morgen über 100.000 Leute unterwegs sein werden, und man weiß,
dass die Busse nicht fahren. Und was macht die S-Bahn? Statt am
laufenden Band Züge fahren zu lassen, verkürzt sie den Takt nur
unwesentlich.
Der große Tag ist für die Familien Stress pur
Das lässt für die Fußball-WM im nächsten Jahr Schreckliches
befürchten. Aber nicht nur die öffentlichen Verkehrsmittel stoßen an
ihre Grenzen, auch die Veranstalter. Die jubelnden Kinder, die durchs
Ziel laufen, landen in einer Chill-out-Zone, zu der die Eltern keinen
Zutritt haben. Leider findet man seine Kinder aber auch dann nicht,
wenn sie diese Zone verlassen. Weinende Schüler, hektische Eltern – der
große Tag ist für die Familien Stress pur.
Trotzdem werden wir wohl auch im nächsten Jahr wieder teilnehmen. Wir
werden zusehen, wie unser Junge durchs Brandenburger Tor rennt – mit
9.000 anderen kleinen Helden. Wir werden ihm die Daumen drücken und
mitzittern. Der schönste Lauf von allen wird ihm aber leider für immer
verschlossen bleiben.
Jeden Mai treffen sich an der Siegessäule Tausende Frauen, holen sich
ihre Tüten mit Kosmetika ab und traben anschließend durch den
Tiergarten. Männer sind nicht zugelassen beim Avon-Frauenlauf. Aber
Töchter.
Vielleicht sollte ich auch mal Linda ein paar schicke Laufschuhe kaufen.
Heike Jahberg
(Der Tagesspiegel)
Der nächste Lauf, an dem auch Schüler mitmachen können, ist der 42. Berliner Cross-Country-Lauf am 6. November im Grunewald.
Anmeldungen sind noch bis zum 23. Oktober bei SCC-RUNNING möglich.