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Zwischen Triumph und Tragik

Mamo Wolde starb am Sonntag in Äthiopiens Haupstadt Addis Abeba daheim, in

seinem kleinen Lehmhaus. Eine Agentur, welche die Nachricht vom Ableben des 70

oder 71 Jahre alt gewordenen Marathon-Olympiasieger von Mexico-City 1968

mitteilte, zitierte als Quelle das nationale Radio, in der es auch hieß,

dass der Tod auf "natürliche Gründe" zurück zu

führen sei. Das war ein notwendiger Hinweis bei einem Mann, der erst

Anfang dieses Jahres nach einer fast zehnjährigen Haft das

Zentralgefängnis hatte verlassen können.

Wolde Leben umspannte den weiten Bogen vom Triumph zur Tragik. Dazu

genügte es, dass er zwei Herren diente, als Mitglied der Palastwache bis

1974 dem Kaiser Haile Selassie und danach 17 Jahre lang als

Armee-Angehöriger dem 1991 weg gejagten kommunistischen Machthaber

Mengistu. Nachdem Wolde schon drei Jahre ohne Anklageerhebung inhaftiert war,

entstand Mitte der Neunziger Jahre eine Welle der Sympathie, die darin

gipfelte, ihn, vergeblich, als Ehrengast zu den Olympischen Spielen 1976 nach

Atlanta einzuladen. Die Weltdachorganisationen der Olympier und Leichtathleten

sowie Amnesty International wiesen öffentlich auf das Unrecht hin.

Erst die Recherchen des amerikanischen Journalisten Mike Wise, dessen

Artikel die New York Times am 24. März 1999 veröffentlichte, brachte

Licht in das Dunkel. Wolde gehörte in den Jahren 1978/79 eine

Armee-Einheit an, die sogenannte Konterrevolutionäre aufspürte. Eines

Nachts erhielt ein Soldat aus seiner Gruppe von dem Vorgesetzten den Befehl,

einen vor ihm gefesselt liegenden Studenten zu erschießen, und so geschah

es. Daraufhin erging die Aufforderung an den dabei stehenden Olympiasieger,

einen zweiten Schuss abzufeuern. "Um sicher zu gehen." Das

gehörte damals zur Routine. Über den weiteren Verlauf gab es bei der

Rekonstruktion vor dem Hohen Gericht in Addis Abeba, das 1999 endlich Anklage

erhob im Rahmen der "Roter Terror-Verfahren", unterschiedliche

Aussagen. Ein Zeuge bestätigte den auf Mord plädierenden

Staatsanwalt, den Wise ebenfalls aufsuchte und ihn mit der Aussage zitierte:

"Ich gebe mein Genick, dass Woldes Fall auf nichts als Tatsachen

beruht." Wolde selbst aber bestritt vehement seine Mitschuld, ja, er habe

überhaupt keine Kenntnis von dem furchtbaren Geschehen. Dem Journalisten

Wise sagte Woldes Frau unterdessen bei einem Besuch, dass er ihr davon

berichtete, er habe den Schuss abgefeuert, jedoch absichtlich in den Boden

geschossen habe.

Dies legt den Schluss nahe, dass sich der berühmte Sportler zumindest

am Tatort befand. Sein vom Internationalen Olympischen Komitee bereit

gestellter Verteidiger, der äthiopische Rechtsanwalt Atnafu Bogale,

ließ diesen Umstand bei seiner Strategie vor Gericht auch nicht

außer acht. "Selbst wenn er das Verbrechen begangen haben sollte,

tat er es nicht freiwillig. Er könnte dazu gezwungen worden sein. Das ist

unsere Position."

Das Gericht verurteilte Wolde zu sechs Jahren Haft. Vielleicht war es dabei

noch gnädig, vielleicht aber war es viel zu viel. Er war ein kranker alter

Mann geworden, den in der wieder gewonnenen Freiheit eine 30 Jahre alte Ehefrau

und zwei Kinder empfingen. Eine chronische Bronchitis und Magen- und

Leberbeschwerden hatten den einmal durchtrainierten Körper ausgezehrt.

Mamo Wolde war Olympiasieger im Marathonlauf 1968 in Mexico City in

2:20.26.4 und 1989 als Ehrengast beim BERLIN-MARATHON. Damals zierte sein

Portrait die Medaillen und Urkunden, die alle Teilnehmer erhielten.

Von Robert Hartmann

 

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