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Jutta von Haase – Erste Siegerin beim 1. BERLINER VOLKSMARATHON 1974

40 YEARS OF RACING HISTORY

20 Jahre Frauenlauf – 30 Jahre BERLIN-MARATHON – 40 Jahre Berliner

Cross-Country Lauf

Teil 4 unseres Griffes in die “Geschichtskiste“ der Entwicklung des

Laufens in Berlin:

Laufende Frauen beim Marathon das war im Jahr 1974 noch relativ

ungewöhnlich. Von 244 Teilnehmern im Ziel des 1. BERLINER VOLKSMARATHON

waren nur 9 Frauen. Jutta von Haase belegte mit 3:22:01 den 44. Rang im

Gesamtergebnis des VOLKSMARATHON. Als erste Siegerin des BERLIN-MARATHON 1974

war sie allerdings schon vorher eine gestandene und erfolgreiche

Mittelstrecklerin bei Z 88 (LG Süd). In der Deutschlandhalle wurde sie

1970 Deutsche Hallenmeisterin über 1.500 m in 4:23,7, war mehrfache

Deutsche Vizemeisterin über 800 m. Die BL sind über 800m 2:06,2

(1968) und über 1.500m 4:22,8 (1970), Marathon 2:53:43! (1983). Sie gewann

1976 auch den 3. BERLIN-MARATHON in 3:05:19. Sie ist Vorsitzende Richterin am

Verwaltungsgericht Berlin, z. Zt. beurlaubt im Rahmen von Altersteilzeit. Wir

wünschen ihr gesundheitlich alles Gute.

Jahrelang wurde in den Siegerinnenlisten des BERLIN-MARATHON als 3-fache

Siegerin geführt. Im Zuge des 30-jährigen Jubiläums fiel es auf,

daß es “nur“ 2 Siege waren. Es führen damit weiter Uta

Pippig (1990/Stuttgart und 1992 und 1995/SCC) und Renata Kokowska (POL) 1988,

1991 und 1993 die Siegerinnenliste mit jeweils 3 Siegen vor Jutta von Haase und

Ursula Blaschke (SCC) mit jeweils 2 Siegen an.

Horst Milde

Als Läuferin wurde ich wahrlich nicht geboren, jedenfalls nicht als

eine, die in ferner Zukunft einmal lange Strecken würde bewältigen

können. Wenn, dann eher als Sprinterin, war ich auf kurzen Strecken doch

während meiner Schulzeit (aber nur bei Schulsportfesten)

äußerst erfolgreich. Auch mein Weg zu den längeren Strecken

führte zunächst über den Schulsport, nachdem ich in einem

gemeinsamen 1000-m-Lauf mit den “Jungen“, diesen zunächst in

respektvollem Abstand folgend, bis auf einen alle überholt hatte. Dies war

meine “Geburt“ als Mittelstrecklerin. Das – gemessen an

heutigen Verhältnissen – äußerst zaghafte Trainieren

längerer Strecken brachte es immerhin mit sich, dass ich meine

Spezialität, das Passlaufen, verlernte und mit Freude zahllose Runden auf

der Aschenbahn drehte, vor allem aber den Grunewald als wunderbares Laufrevier

entdeckte.


Jutta von Haase mit Bernd Hübner nach der ersten Runde an der Wende am

Mommsentadion, 1974

Als der Erste BERLINER VOLKSMARATHON am 13. Oktober 1974 stattfand, hatte

ich nicht nur erfolgreiche Zeiten als Mittelstrecklerin hinter mir, sondern

meine leichtathletische Laufbahn eigentlich beendet. Allerdings lief ich

weiterhin, mit Freude um die Grunewald-Seen oder eben gerade dort, wo sich die

Gelegenheit dafür bot. Im Wissen um meine sehr gute Ausdauer reizte es

mich dann sehr, mich auf das Marathon-Abenteuer einzulassen, was auch deshalb

als ungewöhnlich erschien, weil es für uns vom “schwachen

Geschlecht“ damals keine Wettkämpfe über längere Strecken

als 1 500 m gab. Als ich mich zu einem der Vorbereitungs-Trainings-Läufe

am Mommsenstadion einfand, war das Erstaunen bei den Veranstaltern wohl auch

deshalb riesengroß. Ich erinnere mich an die fassungslose Frage des

Laufenthusiasten Fritz “Bubi“ Orlowski (damals Trainer im SCC), ob

es mein Ernst sei mitzulaufen. Das klang etwa so: “Jutta, Du???? Willst

Du wirklich bei uns mitlaufen?“ Ich meinte, ich wolle es versuchen

– geplant war ein Lauf von etwa 20 km. Als ich mich dann bis zum Ende

dieses Laufs stets vorne aufhielt, hatte ich den Skeptiker überzeugt und

genoss in der Folgezeit stets sein überaus freundliches Interesse an

meinen Langlaufversuchen.

"10" />Der Marathon am 13. Oktober 1974 fand bei gewiss idealen

Witterungsbedingungen statt – nicht zu warm und auch nicht zu kalt.

Immerhin lief ich mit langen Hosen und einem langärmligen Sportpulli.

Anders als bereits seit vielen Jahren, wo Tausende die Strecke säumen,

fand der Lauf sozusagen an der Peripherie statt; Start und Ziel waren am

Mommsenstadion, die nach meiner Erinnerung bis ca. zum Strandbad Wannsee

führende Strecke war zweimal hin und zurück zu laufen. Die Zuschauer

waren an wenigen Händen zu zählen, einzig im Start-/Zielbereich waren

es mehrere Personen, die die Läuferinnen und Läufer aufmunterten und

Mut für die zweite Hälfte zusprachen.

Ebenso unerfahren wie wohl die meisten Teilnehmer, ob und wie die lange

Strecke zu bewältigen sei, ließ ich den Lauf

“gemütlich“ beginnen. Erst nach der Hälfte meinte ich,

mich von meinem freundlichen Mitläufer verabschieden zu sollen, der nun

etwas langsamer laufen wollte, während ich eher das Gegenteil

beabsichtigte. Dass dies gelang, zeigt die Endzeit von 3:22:01.

Ich war ganz gewiss sehr stolz über das Erreichte, war ich doch zuvor

allenfalls – und das auch nur wenige Male – ca. 20 km gelaufen. Zur

Belohnung gab es eine Siegerurkunde und ein vom Bezirksamt Charlottenburg

gestiftetes Bronzebild – ein Foto zeigt meine Zufriedenheit. Dieses wie

auch die Urkunde habe ich mir nun wieder angeschaut und freue mich daran. Das

folgende Foto zeigt auch meine – gemessen an heutigen Verhältnissen

– total falsche Bekleidung (viel zu dick und schwer). Nu ja, es hat

trotzdem Spaß gemacht und mich zur Wiederholungstäterin gemacht

(auch mit wesentlich schnelleren Zeiten bei wiederum

verhältnismäßig wenig Training).

Dass der Lauf mich nicht “ausreichend“ angestrengt hatte, zeigt

mein weiterer Tagesablauf: Dem beeindruckenden Besuch der Industrieausstellung

in den Messehallen (gibt es schon lange nicht mehr) am Nachmittag folgte am

Abend ein Konzertbesuch in der Philharmonie. Von Müdigkeit bei dem sehr

schönen Konzert immer noch keine Spur. Jedoch hatte ich mir insgesamt

einen derart starken Muskelkater eingefangen, dass ich die Stufen vom

Konzertsaal in das Foyer am Ende nur rückwärts hinunter gehen konnte.

Heute wundert mich das nicht mehr. Bei den späteren Läufen ist mir

das allerdings auch nicht wieder passiert.

Nachdem ich beim Ersten BERLINER VOLKSMARATHON, wie er offiziell genannt

wurde, Blut geleckt hatte, nahm ich noch an etlichen

Langstreckenwettkämpfen, darunter weiteren Marathonläufen, mit Erfolg

teil. Davon ließe sich vieles erzählen. An den “Ersten“

denke ich mit der größten Freude zurück. Sportlich

herausragender war aber mein Sieg in der Altersklasse W 40 mit 44 Jahren beim

10. BERLIN-MARATHON 1983 mit 2.53 Std..

Seit 1986 tummele ich mich nur noch als Zuschauerin an der Strecke, um

teilnehmende Freundinnen und Freunde, überhaupt die Teilnehmer anzufeuern.

Meine ganz zaghafte Überlegung, ob ich das Jubiläum in diesem Jahr zu

einem ganz langsamen “Comeback“ nutzen sollte, habe ich fallen

gelassen – ich werde zu der Zeit auf Reisen sein.

Ich wünsche dem Veranstalter und allen hoffentlich gut trainierten und

vorbereiteten Läuferinnen / Läufern viel Freude und Erfolg.

Jutta von Haase im Juli 2003

PS: Jutta von Haase gewann übrigens auch den 3. BERLIN-MARATHON 1976

in 3:05:19. Das hat sie in der Eile ganz vergessen zu erwähnen!

 

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